DAS LIEBE GELD IM KANTON SCHWYZ

Schöne Finanzen freuen das Volk. Doch es gibt immer auch Verlierer. Ein Blick abseits der Jubelrhetorik.

107,4 Millionen Franken — Rekord-überschuss. Der Kanton Schwyz hat Grund zur Freude, die Finanzlage ist grandios. Man sei schuldenfrei, habe gar ein Nettovermögen, zeigt sich Finanzdirektor Kaspar Michel zufrie-den. Zum vierten Mal hintereinander tiefschwarze Zahlen, die Verbesserung gegenüber Budget: 94,6 Millionen. Eigenkapital: 290 Millionen.

Doch für gewöhnlich hat die Weis-heit «Was des einen Freud, des andern Leid» ihre Gültigkeit. So auch hier. Denn gibts auf der einen Seite Gewin-ne, gibts meist auf der anderen auch Verlierer, Einsparungen, Kürzungen. Karin Schwiter (SP) war Kantons-rätin und lange Jahre in der Finanz-kommission. Sie schätzt die Lage kri-tisch ein: «Die Staatsrechnung hat rund 95 Millionen Franken besser abge-schnitten als geplant. Ein Hauptgrund daftir ist, dass der Kanton Schwyz mit seinen zu tiefen Steuern für die höchsten Einkommen und Vermögen weiter-hin Reiche anzieht, die eigentlich nur im Kanton Schwyz wohnen, weil sie Steuern vermeiden wollen.»

Nicht ganz so rosig
Abseits des Jubels zögert Schwiter nicht, die Verlierer der Tiefsteuerpoli-tik klar zu benennen: All jene, die keine Millionen auf dem Bankkonto haben. «Wir bezahlen den Preis zum Beispiel durch die massiv gestiegenen Mieten und Bodenpreise, die durch den Zuzug der Reichen immer noch weiter in die Höhe getrieben werden.» Viele Einhei-mische mit kleinem Budget könnten sich das Wohnen in den Höfen und zu-nehmend auch in der March gar nicht mehr leisten. Sie sind gezwungen, aus ihren Heimatdörfern wegzuziehen.»

Andreas Marty ist Präsident der SP Kanton Schwyz. Auch er kennt die Kehrseite der Medaille. In einer langen Liste zählt er jene auf, die sich kaum über Budgetüberschüsse und Eigenka-pital freuen können. Eine erste Verlie-rer-Kategorie sind die Bezüge! von Prämienverbilligung. Gerade der Be-reich, der beim Schwyzer Sorgenbaro-meter ganz zuoberst rangiert. «In der Prämienverbilligung spart der Kanton seit Anfang 2018 rund 6,5 Millionen Franken jährlich.» Hier werde ganz klar das Viertel der Bevölkerung be-straft, das am wenigsten hat.

Ebenfalls benachteiligt werden die niedrigsten Einkommen. Stichwort: tiefe Steuereintrittsschwelle. «Auch wer nicht einmal das Existenzminimum verdient, muss bereits Steuern bezahlen, kritisiert Marty. Ganz klar: Für Geringverdiener ist der Kanton Schwyz alles andere als ein Finanzparadies.

Auch Kranke und Behinderte gehören zu den Verlierern. «Die BSZ (Be-hindertenbetrieb des Kantons Schwyz) ist unter einem starken Spardruck, weil der Kanton seit Jahren versucht, möglichst wenig an den Betrieb zu bezahlen», so Marty.

Weiter geht das Sparen bei den Krankenhäusern. Diesen drehe der Kanton den Geldhahn zu, kritisiert sei-ne Kollegin Karin Schwiter. «Somit kämpfen unsere drei Schwyzer Spitäler ums Überleben.»

Sparposten Bildung
Im Bildungs-Bereich kommt der Rotstift ebenfalls zum Einsatz. Und das in den verschiedensten Bereichen. Beispiele sind die Streichung der Klaggenlehrer-stunde in der dritten Sekundarklasse, die Reduktion derAnzahl zur Verfügung ste-hender Lektionen pro Klasse an den kantonalen Mittelschulen und damit der massive Abbau von Instrumental- und Freifachkursen sowie die Reduktion von Stundenentlastungen für spezielle Aufgaben.

Nächster Sparposten: Schulabgängerinnen sowie die Infrastruktur «Aus Kostengründen sollen sogar zwei unserer fünf Mittelsehntstandorte schliessen, namentlich Nuolen und Ingenbohl», sagt Schwiter nicht ohne Empörung. Es sei billiger, die Märchler Schülerinnen und Schüler in die Höfe runterzuschicken, als das Schulhaus in Nuolen zu renoteren.» (Die ON berichteten.)

Umwelt nicht im Fokus
Führt man sich die Einsparungen im Energie- und Umweltbereich vor Au-gen, könnte man zu dem Schluss kommen, dass diese zukunftsträchtigen Be-reiche nicht ganz oben stehen auf der Prioritätenliste des Kantons. «Wir sind einer der wenigen Kantone, die kein Energieförderprogramm haben», so Marty.

«Für den ÖV gibt der Kanton unseres Erachtens nur ein Minimum aus», so Marty. Der Grundbeitrag sei an der letz-ten Dezember-Session sogar um rund drei Millionen reduziert worden. So fahre zum Beispiel von Pfäffikon zum Industriegebiet First kein Bus. Man komme nur mit dem Auto hin. Ähnlich schlecht sei das Industriegebiet Chal-tenboden in Schindellegi erschlossen, usw. «Anstatt mal etwas Neues, Innovatives zu machen, wird lieber gespart», ärgert sich Marty. Auch mit der behindertengerechten Sanierung der Bushaltestellen und einiger Bahnhöfe sei der Kanton stark im Verzug.

Gebühren und Löhne
Während die Kantons-Finanzen glänzen, muss der Bürger vielerorts immer tiefer in die Tasche greifen. «Sowohl beim Kanton wie auch auf den Gemeinden sind heute viel mehr und höhere Gebühren zu entrichten, als noch vor zehn, 20 Jahren. Es gibt weniger Dienstleistungen an die Bevölkerung», so Marty.

Auch die kantonalen Angestellten gehörten zu den Verlierern: «Sie haben seit vielen Jahren immer nur ein Minimum an Lohnerhöhungen erhalten und seit 2011 auch keinen Teuerungsausgleich mehr.» Zudem seien in vielen Verwaltungen aufgrund des Spardruckes Stellen gestrichen und dadurch der Arbeitsdruck erhöht worden.

«Monaco der Pelzmäntel»
Für Karin Schwiter ist klar, wer für all das verantwortlich ist. «Diese Politik ist das Resultat der rechtskonservativen Mehrheit in Parlament und Regierung, die in den letzten beiden Legislaturen ihr Programm ohne Rücksicht auf Ver-luste durchgedrückt hat: Reiche mit Steuerrabatten anlocken und die lokale Bevölkerung mit immer schlechteren Leistungen die Zeche bezahlen lassen.»

Für den Fall, dass alles so bleibt, malt sie ein düsteres Zukunftsszenario. Sie spricht von einer Monacoisierung des Kantons Schwyz. Es würden viele teure Häuser und Wohnungen gebaut, die sich die lokale Bevölkerung gar nicht leisten könne. Ältere Leute mit kleiner Rente, junge Erwachsene in Ausbildung und Familien mit Kindern müssten sich günstigere Wohnungen anderswo suchen. Doch, betont Schwiter, «sie werden nicht mehr zurückkommen. Wenn wir so weitermachen, werden im Kanton Schwyz irgendwann nur noch Pelzmäntel flanieren» — die langfristige Tragik der gegenwärtigen Politik. Sie umschwärme den globalen Flugsand der Superreichen — und sei taub für die Sorgen ihrer lokalen Bevölkerung.

Der Rechnungsabschluss ist grandios. Die einen freuts, die anderen ärgerts. Heute werden die Verlierer meist belächelt, stehen am Schluss der politischen Agenda. Und morgen?

Obersee Nachrichten,
Michel Wassner